Sonntag, 16. Oktober 2005

Fragliche Vermittlungspraktiken

Warum kann der Staat eigentlich Vermittlungsvorschläge für Erwerbslose zur Bundeswehr und mit der Drohung der Leistungskürzung abgeben? Das Grundgesetz und die Gewissensfreiheit sollte doch auch für erwerbslose Menschen aus dem Gesundheitswesen gelten, oder?

Die taz Nr. 7793 vom 14.10.2005, Seite 7, 132 Zeilen (TAZ-Bericht), HEIDE PLATEN schreibt online am 14.10.2005:

<<Sanitätsdienst an der Waffe
Bei der Bundeswehr in Afghanistan müssen auch Lazarettkräfte zum Maschinengewehr greifen.

Aber ist das nach dem Völkerrecht erlaubt? Die Frage darf man als Sanitäterin offenbar nicht stellen
AUS FRANKFURT AM MAIN
HEIDE PLATEN
Als Florian Pfaff von dem Fall erfuhr, fühlte er sich an die eigenen Erfahrungen erinnert. Der 49-jährige Computerexperte hatte als Mitarbeiter des Bundeswehr-Streitkräfteamts die Ausführung von Befehlen verweigert, die direkt oder indirekt zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak beitragen könnten. Nach langem Instanzenweg entschied das Leipziger Bundesverwaltungsgericht zu seinen Gunsten.

Jetzt setzt sich Pfaff für seine Leidensgenossin Christiane E. ein. Die 35-jährige Sanitätsfeldwebelin war im Frühjahr von der Bundeswehr als Operationsschwester im internationalen Feldlazarett in Afghanistan eingesetzt. Das dortige Feldlazarett der Isaf ist international besetzt und steht unter dem Schutzzeichen des Roten Kreuzes. Ärzte und Sanitäter tragen entsprechende Armbinden. Der damalige Kommandeur befahl Christiane E. und ihren Kollegen nach Darstellung Pfaffs, diese Armbinden abzulegen und die Sicherung des Infanterielagers auch mit dem Maschinengewehr zu übernehmen.

Daraufhin fragte Christiane E. bei ihrem Vorgesetzten nach, ob ein solches Vorgehen nicht gegen internationale Konventionen verstoße. Schließlich schreibe das Völkerrecht vor, im Kriegseinsatz strikt zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten zu unterscheiden. Zum nichtkämpfenden Teil der Truppe gehören das Sanitätspersonal und die Militärseelsorger. Sie dürfen nur zur Selbstverteidigung Waffen tragen.

Solche Fragen schätzte der Vorgesetzte offenbar überhaupt nicht. Weil sie den Befehl infrage gestellt hatte, wurde Christiane E. vom Dienst suspendiert. Sie musste nach Deutschland zurückfliegen und außerdem eine Disziplinarbuße von 800 Euro bezahlen. Nachdem eine Beschwerde beim Truppendienstgericht erfolglos blieb, wandte sich die Sanitäterin schließlich an den Petitionsausschuss des Bundestages.

Von dort erhielt sie bislang nur einen abschlägigen Zwischenbescheid. Zur Begründung sandte ihr das Gremium die Argumentation des Verteidigungsministeriums und der zuständigen Stabsabteilung zu. Die Unterscheidung in Kombattanten und Nichtkombattanten, heißt es darin, sei nur im bewaffneten Konflikt vorgeschrieben. Da sich die Bundesrepublik in Afghanistan aber nicht im Kriegszustand befinde, müssten auch Ärzte und Sanitäter zu den Waffen greifen und Wachdienst leisten.

Pfaff sieht das anders. Der bewaffnete Einsatz des Sanitätspersonals ist für ihn ein "Rechtsbruch". Selbst das Ministerium habe offiziell schon eingeräumt, dass es sich "um einen kriegsähnlichen, internationalen Konflikt" handele. Daran ändert in Pfaffs Augen auch die Tatsache nichts, dass die Auseinandersetzung lediglich innerhalb eines Landes stattfinde. Die deutschen Soldaten seien dort durch die Unterstützung der USA in den Status von Kombattanten gebracht worden.

Er selbst dürfe zu dem Fall Christiane E. nicht schweigen, sagt Pfaff, der mittlerweile beim Sanitätsamt der Bundeswehr in München arbeitet. Sonst mache er sich als Mitverantwortlicher für den Personaleinsatz mitschuldig. Zudem sei jeder einzelne Soldat schon in der Ausbildung darauf verpflichtet worden, eigenverantwortlich die Rechtmäßigkeit von Befehlen zu überprüfen. "Blinder Gehorsam" verbiete sich.

In ihrer eigenen Stellungnahme für die Petitionsausschuss verweist Christiane E. darauf, dass zwischen Deutschland und Afghanistan zwar kein Krieg herrsche, wohl aber ein "kriegsähnlicher" Zustand. Dies lasse sich sogar an den Soldabrechnungen ablesen: Die Soldaten erhalt das doppelte Monatssalär - wegen "extremer Belastungen" unter "kriegsähnlichen Bedingungen".>>

Süddeutscher Blätterwald

Aus dem Archiv der Süddeutschen Zeitung:

Ausland
Arbeitsmarktreformen im Vergleich
In vielen europäischen Staaten und in den USA gab es in den vergangenen Jahren ähnlich tiefgreifende Einschnitte ins Sozialsystem wie in Deutschland.


Gesellschaft
"Sei froh, dass du Arbeit hast"
Arbeitslose gegen Arbeitsplatzbesitzer: Von der Angst der Privilegierten und dem Unglück des Nichtstuns.


Arbeitsagenturen
Behörde im Umbau
Wie die Reform der Bundesagentur für Arbeit bei ihren Kunden ankommt.

Wenn ein Nein unmöglich ist

Die Süddeutsche Zeitung vom 13.10.2005 schreibt um 12:09 Uhr online:
Arbeitslose
Wenn ein Nein unmöglich ist
Kurs-Zwang: Hartz-IV-Empfänger dürfen Lehrgänge nicht verweigern - auch wenn sie ihrer Meinung nach dabei nichts lernen werden.

Hartz-IV-Empfänger können nach einem Urteil des Sozialgerichts Dresden die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen nicht verweigern. Derartige Kurse sind für die Betroffenen zumutbar, wie Gerichtssprecher Hans von Egidy am Donnerstag mitteilte. Das Gericht wies die Klagen von fünf Hartz-IV-Empfängern aus Freital bei Dresden ab. Diese hatten sich mit Eilanträgen gegen ihre Teilnahme an einem dreimonatigen Fortbildungslehrgang nach dem so genannten "Chemnitzer Modell" gewehrt.

Dieser Lehrgang, der von der Arbeitsgemeinschaft "Weißeritzkreis" angeboten wurde, ist nach Ansicht der Richter Voraussetzung für die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.

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Nach Angaben von Egidy hatte eine gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft den Kurs durchgeführt. Er vermittelt unter anderem Wissen in den Fächern Recht, EDV, Mathematik, Deutsch und Betriebswirtschaftslehre. Die Kläger waren der Meinung, dass der Lehrgang unter ihrem Niveau sei und verwiesen auf ihre qualifizierten Berufsabschlüsse.

Die Kläger gaben außerdem an, in dem Kurs wie "Obdachlose" und "Süchtige" behandelt zu werden. Drei Kammern des Sozialgerichts vertraten dagegen die Auffassung, dass die Chancen auf eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt mit dem Kurs deutlich stiegen. Egidy wies insbesondere darauf hin, dass die Fortbildungsgesellschaft bereits zahlreiche Absolventen von Lehrgängen erfolgreich in ein einjähriges Arbeitsverhältnis vermittelt habe.

Die Richter sahen in dem Kurs keine Unzumutbarkeit für die Empfänger des Arbeitslosengeldes II. Sie stellten zudem klar, dass den Betroffenen weder "Sucht" noch "Obdachlosigkeit" vorgeworfen werde. Nach Angaben des Gerichts sind acht weitere Verfahren in der gleichen Sache anhängig. (Aktenzeichen: S 23 AS 870/05 ER, S 23 AS 872/05 ER, S 3 AS 873/05 ER, S 34 AS 869/05 ER, S 34 AS 874/05 ER Sozialgericht Dresden) (sueddeutsche.de/AP)

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